Das Thema Musik und Gesang zieht sich durch die ganze Bibel und wird recht häufig erwähnt. Wir wollen daher einmal über die Erfindung der ersten Musikinstrumente und das erste Lied, von dem uns in der Bibel berichtet wird, nachdenken. Dabei sehen wir uns an, welche Menschen in welcher Situation und zu welchem Zweck Musik gemacht und gesungen haben.
Bereits in der 8. Generation von Adam an, also noch vor der Flut, erfand Jubal die ersten Musikinstrumente. Gott, der Schöpfer, hatte den Menschen mit Intelligenz und Kreativität begabt, sich solche Instrumente auszudenken, das richtige Material dazu auszuwählen und sie anzufertigen. Er hatte ihn mit einem Gehör ausgestattet, das Töne aufnehmen kann, mit einem Mund, um die Flöte zu spielen, und mit Händen, um die Laute zu zupfen. Gott hatte den Menschen auf Gemeinschaft mit dem Schöpfer angelegt, was neben anderen Aspekten auch in 1. Mose 1,26 deutlich wird: „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis“ (1. Mo 1,26). Alle Fähigkeiten waren gegeben, um in dieser Gemeinschaft zu leben und Gott zu ehren.
Doch Kain kehrte Gott nach dem Mord an seinem Bruder Abel den Rücken zu und entfernte sich von Ihm, „Und Kain ging weg vom Angesicht des Herrn“ (1. Mo 4,16).
Kain und seine Nachkommen, zu denen auch Jubal gehörte, führten ein Leben ohne Gott. Sie nutzten die Fähigkeiten, die der Schöpfer ihnen gegeben hatte, in Unabhängigkeit von Ihm. Die Ergebnisse davon waren Unmoral (s. V. 19) und Gewalttat (s. V. 23.24).
Der Mensch wollte die Erde ohne Gott zu einem möglichst angenehmen Ort machen. Er versuchte, die Folgen des Fluches über Kain – „unstet und flüchtig sollst du sein“ (V. 12) – so weit wie möglich aufzuheben.
Jubal und seine Erfindungen werden zwar nicht ausdrücklich verurteilt, aber der Zusammenhang lässt doch den Schluss zu, dass auch die Musik dem Zeitgeist entsprach. Gott spielte im Leben Jubals wohl keine Rolle.
Vor diesem Hintergrund kann Musik dazu dienen, ohne Gott fröhlich zu sein und Zerstreuung zu suchen. Der ältere Sohn in Lukas 15 wollte „mit seinen Freunden fröhlich“ sein (V. 29). Der Vater – ein Bild von Gott – und die Freude und Gemeinschaft mit ihm waren dem Sohn nicht wichtig.
Die Fähigkeit, zu musizieren, ist eine von Gott gegebene Gabe, die ihren Zweck dann erfüllt, wenn sie in Gemeinschaft mit Ihm und zu seiner Freude gebraucht wird. Sie erfreut dann auch unsere Herzen. Das wollen wir beim Gebrauch von Musikinstrumenten beachten.
Wenden wir uns jetzt dem ersten Lied zu, dessen Text uns in der Bibel aufgeschrieben ist: „Damals sangen Mose und die Kinder Israel dem Herrn dieses Lied und sprachen so …“ (2. Mo 15,1). So beginnt der Bericht über den ersten geistlichen Gesang, den uns die Bibel schildert.
Das Volk Israel war auf Befehl Gottes ausgezogen aus der Knechtschaft im Land Ägypten. Sie hatten am Abend das erste Mal das Passah gefeiert. Da sie das Blut des Lammes an die Pfosten und den Türsturz der Häuser gestrichen hatten, in denen sie waren, ging das Gericht Gottes an ihnen vorüber. Gott hatte gesagt: „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen“ (2. Mo 12, 13). Dann zogen sie aus mit Gott an ihrer Spitze.
Doch der Pharao jagte ihnen mit seiner Heeresmacht nach und erreichte sie, als sie sich am Meer gelagert hatten. Nun schrieen sie in ihrer Not zum Herrn (s. 2. Mo 14,10). Dieses Schreien war leider begleitet durch Unglauben und Vorwürfe gegen Mose. Doch der Herr gab in seiner Gnade Schutz durch den Engel Gottes und die Wolkensäule, die sich zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels stellten (s. V. 19). Dann führte Er sein Volk auf dem Trockenen durch das Meer hindurch.
Die Ägypter, die ihnen folgen wollen, verwirrt Er und stürzt sie ins Meer (s. V. 27). Nicht einer bleibt übrig – und so ist das Volk befreit von der Macht des Feindes. Ihre Furcht vor dem Feind wandelt sich in Ehrfurcht gegenüber dem Herrn und ihr Unglaube in Glauben (s. V. 31).
Angesichts dieser gewaltigen Rettung Gottes singen sie ein Lied – unmittelbar! Es gab keine Aufforderung Gottes dazu, Ihm ein Lied zu singen. Es war eine natürliche Reaktion dankbarer Herzen, ein echtes Bedürfnis, Ihn zu loben für die wunderbare Befreiung. „Jubeln werden meine Lippen, wenn ich dir Psalmen singe, und meine Seele, die du erlöst hast“ (Ps 71,23). Das erlöste Volk singt, zum ersten Mal.
So wie das Volk Verschonung vom Gericht und Befreiung aus der Macht des Feindes erlebt hat, sind wir vollkommen und ewig gerettet durch das Sühnungswerk des Herrn Jesus am Kreuz auf Golgatha. Lobgesang unserem Gott ist die angemessene Antwort darauf.
Wir lernen: Erlöste Menschen singen zur Ehre Gottes! So wie Musik zur Ehre Gottes gespielt werden soll, soll auch die Fähigkeit zu singen zu seiner Ehre gebraucht werden. Das setzt eine Beziehung zu Gott voraus – und die haben nur erlöste Menschen.
Das Lied – es wird zu Recht oft das Lied der Erlösung genannt – richtet sich an den Herrn. Ihm singen Mose und die Kinder Israel das Lied. So nutzen erlöste Menschen die von Gott gegebene Fähigkeit zu singen, um Ihn zu erheben.
Der Name des Herrn und sein Handeln durchziehen dieses Lied. Er wird verherrlicht in dem, was Er ist und was Er tut. Der Rahmen des Liedes wird gespannt von der Erlösung bis zur zukünftigen Herrlichkeit und gibt uns wichtige Hinweise dafür, wie wir heute unserem Gott angemessen lobsingen können.
Besonders in den ersten Versen des Liedes wird deutlich, dass die Rettung allein durch das Handeln Gottes zustande gekommen ist. Das Volk hatte gar nichts dazu beitragen können. Der Feind war vollständig besiegt und endgültig vernichtet. Weil der Herr eine vollständige Errettung bewirkt hat, wird Er verherrlicht und erhoben (s. V. 2). Der Blick geht von der Rettung auf den Erretter.
Wir sind befreit von der Macht Satans durch den Tod des Herrn Jesus (s. Heb 2,14). Er ist am Kreuz der ganzen Macht des Feindes entgegengetreten und hat diesen besiegt. In keinem anderen Namen ist das Heil – Er allein gibt Rettung (s. Apg 4,12). Wir danken Ihm – auch im Lied – für die Erlösung und beten Ihn an für das, was Er ist.
Immer wieder ist von der Größe und Erhabenheit Gottes die Rede (z. B. V. 7.11). In seiner großen Macht hatte Er das Meer zerteilt, sodass das Volk auf dem Trockenen hindurchziehen konnte. Sein Hauch reichte aus, die Wasser zurückkehren zu lassen. Folgerichtig kommt der zweimalige Ausruf der Bewunderung: „Wer ist dir gleich!“ (V. 11), verbunden mit seiner Herrlichkeit und Heiligkeit.
Und wie ist es heute? In dem Herrn Jesus hat Gott, der Vater, sich völlig offenbart. Wir können seine unendliche Größe bewundern weil der Mensch Jesus Christus „das Bild des unsichtbaren Gottes“ ist (Kol 1,15). Wenn wir Ihn anschauen, werden wir Ihn und den Vater preisen für seine Größe. Drücken unsere Lieder das auch aus?
Das Volk Israel ist zu Gottes heiliger Wohnung gebracht (s. V. 13). Er will in der Mitte eines erlösten Volkes wohnen. Dazu sollen sie Ihm ein Heiligtum bauen (s. 2. Mo 25,8). Gott wünscht sich Gemeinschaft mit erlösten Menschen.
Heute wohnt der Geist Gottes in erlösten Menschen einzeln (s. 1. Kor 6, 19) und in der Versammlung als Gesamtheit (s. 1. Kor 3,16). Dadurch können wir überhaupt erst die Gedanken Gottes verstehen. Wir dürfen Ihm auch für diesen Segen im Lied danken.
Am Ende des Liedes singen sie vorausschauend davon, dass Gott sie in das Land bringt. Prophetisch zeigt das die herrliche Zukunft Israels im Tausendjährigen Reich. Dann wird der Herr König und sein Volk wird dort gepflanzt sein. Sie singen von der vor ihnen liegenden Hoffnung.
Welche Hoffnung haben wir? Wir erwarten das Kommen unseres Herrn Jesus, um uns zu sich zu nehmen. Dann werden wir für immer bei Ihm sein. Er hat uns eine Stätte im Haus des Vaters bereitet (s. Joh 14, 2.3). Wie schön ist es, wenn unsere Lieder diese Hoffnung, und vor allem Den, der unsere Hoffnung ist, zum Inhalt haben.
Als erlöste Menschen haben wir jeden Tag Grund, Gott zu danken, Ihn zu loben und Ihn anzubeten. Wir blicken zurück auf die Erlösung durch das Blut des Herrn Jesus am Kreuz auf Golgatha, wir erleben in der Gegenwart täglich seine Güte, wir blicken nach vorne auf eine ewige Herrlichkeit. Was ist unsere Antwort darauf? Ein Lied unserem Herrn!
Dirk Mütze
Im Jahr 1804 verfasste Johann Gottfried Seume das Gedicht „Die Gesänge“. In einer Strophe heißt es:
Wo man singet, lass dich ruhig nieder,
ohne Furcht, was man im Lande glaubt;
wo man singet, wird kein Mensch beraubt;
Bösewichter haben keine Lieder.
In der Tat werden viele Lieder in geselliger Runde gesungen. Und oft ist es dabei so, dass sich die Stimmung der Anwesenden merklich bessert. Das gilt nicht nur für geistliche Lieder. Trotzdem stellt sich die Frage, ob Seume Recht hat und es stimmt, dass Bösewichter keine Lieder haben.
Wer sich anhand des Wortes Gottes mit dem Thema Lieder und Gesang beschäftigt, wird schnell feststellen, dass es ausgerechnet ein Nachkomme Kains ist, dessen Name in der Bibel als erstes mit Musik in Verbindung gebracht wird (s. 1 Mo 4,21). Jubal gehörte zu denen, die in ihrem Leben nicht nach Gott fragten, sondern ihren eigenen Willen durchsetzen wollten und in der Musik offensichtlich Zerstreuung und Ablenkung von Gott suchten. Seume liegt also falsch.
Hätten wir nur diese Bibelstelle, könnte jemand denken, Lieder würden nicht zu einem Gott wohlgefälligen Leben als Christ passen. Beim weiteren Studium stößt man dann aber auf König David, einen Mann nach dem Herzen Gottes. Er war ein geschickter Instrumentenbauer, der zudem viele Lieder dichtete, in denen die Größe und die Ehre Gottes besungen werden. Eine ganze Reihe davon haben Eingang in das Wort Gottes gefunden. Wir finden sie in den Psalmen. Einige von ihnen sind dabei wahre Meisterwerke der Dichtkunst.
Schließlich fordert uns Gott selbst auf, Lieder zu seiner Ehre zu singen. In Kolosser 3,16 heißt es: „Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade.“
Die Frage, ob Lieder gut sind oder nicht, ist keine Frage des Geschmacks. Da mag es der eine lieber fröhlich und beschwingt, der andere lieber „getragen“. Der Wert von Liedern bemisst sich vielmehr daran, ob sie zur Ehre Gottes sind oder nicht.
Die Artikel dieser Sonderausgabe von „Bleibt in mir“ möchten deshalb dazu anregen, sich anhand des Wortes Gottes mit diesem Thema zu beschäftigen. Gleichzeitig möchten sie einen Anstoß geben, das gemeinsame Musizieren und Singen von Liedern zur Ehre Gottes lebendig zu erhalten und wieder mehr wertzuschätzen. Viel Freude und reichen Segen dabei wünscht uns allen
Stefan Busch