Ein betagter Christ war viele Jahre seines Lebens neben Beruf und Familie den Gläubigen Stütze und Halt gewesen. Als ein Hirte unter der Herde Gottes hatte er im Segen gewirkt. Wie oft hatte er die Geliebten des Herrn aufgesucht mit einer „Botschaft des Evangeliums des Friedens“ − mit einem Wort der Ermutigung und des Trostes. Der Herr hatte ihn benutzt, das Wort Gottes recht zu teilen – „öffentlich und in den Häusern“ (Apg 20,20).
Im Lauf der Jahre hatte nun die Schaffenskraft nachgelassen. So manche liebgewordene Aufgabe musste abgegeben werden. Das eine oder andere galt es loszulassen. Die Kräfte reichten einfach nicht mehr. Oft war das für ihn mit einer gewissen Wehmut verbunden.
Oder eine nun gebrechlich gewordene Schwester im Herrn: Ihre Hände ruhen im Schoß … Wie ausgefüllt war ihr Leben gewesen, wie viel Gutes tat sie zum Wohl ihrer Umgebung. Sie hatte ein Zeugnis in guten Werken, ihr Heim war für andere geöffnet. Bedrängten hatte sie Hilfe geleistet – vielleicht auch Kinder in der Furcht des Herrn auferzogen … Und jetzt ist sie selbst auf die Hilfe anderer angewiesen.
Im Alter „Ja“ zu sagen zu Gottes Führungen, sich zu demütigen unter die mächtige Hand Gottes – das sind Lektionen, die gelernt sein wollen … Aber nur so finden wir Ruhe für unsere Seele (s. Mt 11, 26.29; 1. Pet 5,6).
Wir blenden in das Leben Davids, des alt gewordenen Königs von Israel:
David steht am Ende seiner 40-jährigen Regierungszeit über Gottes Volk. Höhen und Tiefen haben sein Leben in reichem Maß gekennzeichnet. Der Zeitpunkt ist gekommen, wo andere feststellen und er es selbst schmerzlich zur Kenntnis nehmen muss:
Meine körperlichen Kräfte lassen nach, denn„David war ermattet …“(2. Sam 21,15b).
Die Philister lagen wieder im Streit mit Israel und König David hatte noch einmal an der Spitze seines Heeres stehend, mit den Feinden des Volkes Gottes im Kampf gestanden.
Wir lesen in 2. Samuel 21,16.17:
„Und Jischbi-Benob, der von den Söhnen Raphas (d. h. der Riesen) war, … wollte David erschlagen. Aber Abisai, der Sohn der Zeruja,kam ihm zu Hilfeund schlug den Philister und tötete ihn. Damals schworen die Männer Davids ihm und sprachen: Du sollst nicht mehr mit uns ausziehen in den Kampf …“.
So lautet der Ratschlag treuer Männer. Das würde für David das Ende als Kämpfer Israels bedeuten.
Und seine Reaktion? Lehnt er sich gegen den gut gemeinten Ratschlag seiner Getreuen auf? War er zutiefst deprimiert und fiel in ein Loch? Nein – wir hören nichts dergleichen.
David ist weise – er lässt sich etwas sagen. Er lernt die Lektion: Es geht auch ohne mich!
In 2. Samuel 21,15-22 ist von insgesamt vier Siegen über die Philister, die Feinde Israels, die Rede. Gott schenkt Israel den Sieg – in drei Fällen auch ohne den König.
Gott hat von allem Kenntnis genommen – und wie schön: Er ehrt den alten König David, den Mann nach seinem Herzen. Denn bemerkenswerterweise wird am Ende der Berichterstattung immer noch Davids Name zuerst genannt: „… und sie fielen durch die Hand Davids und durch die Hand seiner Knechte“ (V. 22).
Gott ist es wohlgefällig, wenn auch wir die Person des Greisen ehren (s. 3. Mo 19,32), auch wenn sie in den Hintergrund getreten sind.
Im Alter körperlich ermattet zu sein, bedeutet aber nicht unbedingt, dass auch die geistliche Kraft abnimmt. Im Gegenteil: „Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch unser innerer Tag für Tag erneuert“, stellt der Apostel Paulus fest (2. Kor 4,16).
Da ist eine Schwester durch ihre körperliche Schwäche an das Bett gefesselt. Es ist einsam um sie geworden. Aber − sie benutzt die stillen Stunden zu treuem, anhaltendem Gebet. Jeden, der zu ihr kommt, überrascht sie durch ihr heiteres Wesen und den tiefen Frieden, den sie ausstrahlt. Einem Besucher gegenüber bemerkt sie: „Heute habe ich meinen Rundgang gemacht.“ Der ist überrascht und fragt verwundert, wie er das verstehen soll
„Meinen Gebetsrundgang“, erwidert sie lächelnd, „mache ich oft … Als erstes schenkt mir der Herr die Gnade, für meine Kinder zu beten. Dann fand ich die Aufforderung in Gottes Wort, Fürbitte zu tun für alle Heiligen. So bete ich für die Diener des Herrn in der Nähe und Ferne. Ich bitte Gott, sie zu behüten, zu stärken und zu segnen und ihnen die Gnade zu schenken, das Evangelium und die Lehre des Wortes mit Freimütigkeit zu verkündigen. Dann gedenke ich der vielen Kranken und der Trauernden. Nicht zuletzt bitte ich für Väter und Mütter in den Familien um Kraft und Weisheit für die Versorgung und Erziehung ihrer Kinder.“
Diese Schwester ist inzwischen heimgegangen in die Ruhe ihres Herrn, ins Paradies, aber ihre Gebete waren wirksam: Die Versammlungen der Gläubigen, mit denen sie verbunden war, wurden besonders gesegnet. So war ihre „Arbeit“ in der Stille nicht umsonst.
Vielleicht fragst du dich, was du wohl noch für den Herrn tun kannst – wie du dich noch nützlich machen kannst? Mach doch jeden Tag deinen „Rundgang“, wie der Herr es dir aufs Herz legt. Dann werden Stunden der Einsamkeit von seinem Segen begleitet sein – der Friede Gottes wird dein Herz bewahren.
Auch bei dem alternden David bewirkt die Gnade Gottes ein inneres Aufleben.
Steht er auch nicht mehr als Heerführer an der Spitze seiner Männer, so hat doch dieser „hochgestellte Mann“, „der Liebliche in den Gesängen Israels“, Gemeinschaft mit seinem Herrn, hat Anlass zur Dankbarkeit und Zufriedenheit.
Der Geist des Herrn leitet David – Sein Wort ist auf seiner Zunge.
Denn nun –wo es um David still geworden ist – „an dem Tag, als der Herr ihn errettet hatte aus der Hand aller seiner Feinde …“ (2. Sam 22,1), wendet er sich an seinen Gott mit Worten eines Liedes:
„Der Herr lebt, und gepriesen sei mein Fels! Und erhoben werde der Gott, der Fels meines Heils!“
In Davids Seele wird es hell – für trübe Gedanken ist kein Raum mehr.
Denn „Danken schützt vor Wanken – Loben zieht nach oben!“
Seine weiteren Worte beinhalten Dank für wertvolle Erfahrungen mit dem Herrn. Sie haben zu unserer Glaubensstärkung Eingang in das Wort Gottes gefunden (s. 2. Sam 22):
Auch wenn sich momentan Schwierigkeiten vor dir auftürmen – tiefe Schatten auf deinen Weg fallen – brauchst du nicht zu verzagen! Denn mit IHM, deinem Gott, kannst auch du Probleme, die sich möglichweise wie eine hohe Mauer vor dir auftürmen, überwinden.
Selbst wenn du keinen Ausweg siehst – Er ist niemals ohne einen Ausweg (s. 2. Kor 4,8).
Er lenkt vollkommen – auch deinen Weg!
Trotz tiefer Schatten – dennoch Licht! Denn über allem steht der treue Herr, dessen vollkommene Liebe und Gnade sich niemals verändern und der selbst im Meer einen Weg hat und Pfade in großen Wassern – auch für dich (s. 1. Joh 4,18; Ps 77,20).
Friedhelm Müller