Es gibt Entscheidungen, die treffen wir eher intuitiv (z. B. die Vollbremsung in einer kritischen Verkehrssituation) oder sie fallen uns leicht (z. B. die Auswahl der Marmeladensorte im Supermarkt). Es gibt aber auch Entscheidungen, über die wir länger nachdenken müssen – vielleicht aufgrund der Tragweite oder der Optionen. Und manchmal zweifeln wir auch bereits getroffene Entscheidungen später noch einmal an.
Entscheidungsprozesse sind auch für Christen nicht immer einfach, doch Gottes Wort schenkt uns gute Hilfestellungen wie das Beispiel des Propheten Jeremia.
„Und der Oberste der Leibwache ließ Jeremia holen und sprach zu ihm: Der Herr, dein Gott, hat dieses Unglück über diesen Ort geredet; und der Herr hat es kommen lassen und hat getan, wie er geredet hatte; denn ihr habt gegen den Herrn gesündigt und auf seine Stimme nicht gehört, und so ist euch dieses geschehen. Und nun siehe, ich löse dich heute von den Ketten, die an deinen Händen sind; wenn es gut ist in deinen Augen, mit mir nach Babel zu kommen, so komm, und ich werde mein Auge auf dich richten; wenn es aber übel ist in deinen Augen, mit mir nach Babel zu kommen, so lass es. Siehe, das ganze Land ist vor dir; wohin es gut und wohin es recht ist in deinen Augen zu gehen, dahin geh. Und da er sich noch nicht entschließen konnte, sprach er: So kehre zurück zu Gedalja, dem Sohn Achikams, des Sohnes Schaphans, den der König von Babel über die Städte Judas bestellt hat, und wohne bei ihm inmitten des Volkes; oder wohin irgend es recht ist in deinen Augen zu gehen, dahin geh. Und der Oberste der Leibwache gab ihm Wegzehrung und ein Geschenk und entließ ihn. Und Jeremia kam zu Gedalja, dem Sohn Achikams, nach Mizpa; und er wohnte bei ihm inmitten des Volkes, das im Land übrig geblieben war“.
Als der babylonische König Nebukadnezar 586 v. Chr. Jerusalem einnimmt, sitzt der Prophet Jeremia schon länger im Gefängnis. Dorthin hatten die Fürsten Judas ihn gebracht, weil sie seine Warnungen vor dem Gericht Gottes nicht mehr hören wollten. Jeremia hatte Gott über vierzig Jahre lang treu gedient und viel Widerstand durch das eigene Volk erfahren. Jetzt muss er mit Schmerz ansehen, wie Jerusalem und der Tempel zerstört werden und der größte Teil des Volkes gefangen weggeführt wird.
Doch plötzlich öffnet sich die Gefängnistür! Nebusaradan, der Oberste der babylonischen Leibwache, lässt ihn zu sich holen. Er macht Jeremia, der noch in Ketten gebunden ist, ein attraktives Angebot: Er soll unter seinem Schutz mit nach Babel gehen und dort in der persönlichen Gunst Nebukadnezars leben, des damals mächtigsten Mannes der Welt. Soll er das Angebot annehmen, oder soll er im Land bleiben? Die Aussage: „Und da er sich noch nicht entschließen konnte … [eig.: sich noch nicht dahin oder dorthin wenden wollte]“, zeigt, dass Jeremia keine einfache Entscheidung vor sich hat.
Beim Abwägen des „Für und Wider“ hätten ihm vielleicht folgende Gedanken durch den Kopf gehen können. Dabei wollen wir nicht spekulieren, sondern einfach darüber nachdenken, wie wir möglicherweise gedacht hätten, wenn wir an Jeremias Stelle gewesen wären:
So nachvollziehbar diese Gedanken klingen mögen, es wären eigene (und egoistische) Gedanken gewesen. Dass solche Gedanken Ausdruck des „Starrsinns des bösen Herzens“ sind, hatte Jeremia dem Volk selbst gepredigt (s. Jer 18,12). Für ihn sollen allein Gottes Gedanken maßgeblich für seine Entscheidung sein, denn er weiß, dass es „Gedanken des Friedens und nicht zum Unglück“ sind (Jer 29,11).
Die Rede Nebusaradans hört sich freundlich an und die Bibel liefert uns auch keine Anhaltspunkte, die auf schlechte Motive hindeuten. Dennoch enthält sie Elemente, die uns als Gläubige hellhörig werden lassen müssen, wenn wir sie aus dem Mund eines Ungläubigen hören:
Als „Mann Babels“ konnte Nebusaradan unmöglich einen guten geistlichen Rat geben. Die Überlegungen des gottesfürchtigen Propheten Jeremia, der den Willen seines Gottes erkennen wollte, konnte er gar nicht nachvollziehen. Und gerne möchte der Teufel die – vielleicht menschlich logischen – Vorschläge von Menschen wie Nebusaradan benutzen, um die Entscheidungen der Gläubigen zu seinen Gunsten zu manipulieren. Er spricht gerne unsere alte Natur an, mit dem Ziel, dass wir Gott ungehorsam sind. Wir wollen – wie Jeremia – wachsam sein gegenüber solchen Einflüssen.
Wir wissen nicht genau, wann Jeremia seine Entscheidung getroffen hat. Zunächst konnte er sich jedenfalls nicht entschließen. Das führte dazu, dass das Angebot, nach Babel zu ziehen, nicht länger bestehen blieb. Nebusaradan schickte ihn zu Gedalja nach Mizpa. Nach wie vor blieb Jeremia aber frei, sich für einen Wohnort seiner Wahl im Land zu entscheiden.
Das macht uns noch einmal klar, dass wir niemals vorschnell eine Entscheidung treffen sollten. Wenn wir unsicher sind und keine Klarheit über Gottes Willen in einer Sache haben, sollten wir uns nicht davon leiten lassen, gegebenenfalls eine „gute“ Möglichkeit zu verlieren. Wir müssen nicht unnötig zaudern, aber bei fehlender Klarheit ist es besser, zu warten, auch wenn dabei die Optionen weniger zu werden scheinen.
Am Anfang von Vers 6 heißt es dann: „Und Jeremia kam zu Gedalja, dem Sohn Achikams, nach Mizpa …“ Auch das gibt uns wertvolle Hinweise:
Wenn wir vor schweren Entscheidungen stehen, dürfen wir uns im Bewusstsein der Hilfe unseres Gottes und Vaters „zurückziehen“, um Ihm die Dinge im Gebet zu bringen und Ihn um Klarheit für unsere Entscheidungen zu bitten. Wir dürfen auch dankbar sein, wenn Er uns Gläubige zur Seite stellt – Ehepartner, Eltern, Freunde, ältere Geschwister –, die uns Rat geben können.
Ungefähr ein Jahr vorher – Jeremia saß im Gefängnis – beauftragte Gott ihn, ein Feld in seiner Heimatstadt Anatot zu kaufen (s. Jer 32,1-15). In erster Linie wollte Gott ihm zeigen, dass sein Volk wieder aus der Gefangenschaft zurückkehren würde. Aber wir können darin auch einen Hinweis für ihn persönlich sehen. Hätte Gott ihn das tun lassen, wenn Er gewollt hätte, dass Jeremia das Land verlässt? Gott gibt uns manchmal im Vorfeld zukünftiger Entscheidungen Hinweise, die wir in diesem Moment noch nicht verstehen. Aber sie helfen uns dann, wenn es so weit ist.
Irgendwann traf Jeremia seine Entscheidung: „… und er wohnte bei ihm inmitten des Volkes, das im Land übrig geblieben war“ (V. 6). Er hatte erkannt, dass Gott nicht wollte, dass er nach Babel ging, sondern dass er im Land eine Aufgabe hatte, und zwar unter den „Geringen“ des Volkes (s. 2. Kön 24,14). Und er blieb bei dem treuen Mann Gedalja in Mizpa und suchte sich keinen anderen Wohnort im Land. Er entschied sich klar für den Willen Gottes, auch wenn es eine Entscheidung mit unbequemen Folgen war, die nicht die Anerkennung der Menschen fand. Aber sie entsprach Gottes Gedanken; das allein zählte.
Wenn wir uns die weitere Geschichte Jeremias anschauen, können wir uns vorstellen, dass er später vielleicht öfters über diese Entscheidung nachgedacht hat. Dabei konnten die weiteren Ereignisse seines Lebens Anlass für Zweifel sein:
Führten diese Schwierigkeiten dazu, dass Jeremia seine Entscheidung infrage stellte? Nein, im Gegenteil: Auch in Ägypten kam er nicht darüber ins Wanken und diente Gott weiter unter dem Volk.
Wenn wir nach einer getroffenen Entscheidung auf Komplikationen stoßen, neigen wir dazu, sie anzuzweifeln. Schwierigkeiten sind aber nicht zwingend ein Indikator für eine falsche Entscheidung (ein „glatter Verlauf“ aber auch nicht unbedingt für eine richtige). Wenn wir sie – so wie wir es bei Jeremia sehen – mit Gott getroffen haben, dürfen wir sicher sein, dass Er uns auch durch auftretende Probleme hindurchträgt.[2]
Zu Beginn seines Dienstes hatte Gott Jeremia zugesagt: „Und sie werden gegen dich kämpfen, aber dich nicht überwältigen; denn ich bin mit dir, spricht der Herr, um dich zu erretten“ (Jer 1,19). Das hatte ihm geholfen, menschliche Denkweisen und gefährliche Einflüsse im Entscheidungsprozess zu überwinden. Er hatte Gottes Entscheidungshilfen genutzt und sich auch in den Schwierigkeiten nicht erschüttern lassen. Sein Beispiel zeigt uns, dass wir als Christen die besten Voraussetzungen haben, mit unserem Gott und Vater mutig Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen dabei nicht zaghaft zu sein.
Henning Panthel
Oft haben wir gesonnen,
ob wir es recht gemacht -
was wir mit Dir begonnen
hast Du zum Ziel gebracht.
Fußnoten: