Das kennen wir aus Erfahrung: Wir sind aufgebracht, weil wir uns ungerecht behandelt fühlen. Nein, diese Ungerechtigkeit wollen wir so nicht auf uns sitzen lassen. Wir rebellieren, zumindest innerlich. Dabei wollen wir doch eigentlich gelassen reagieren, aber die Sache „wurmt“ uns. Was ist zu tun?
Es ist grundsätzlich weise, mit demjenigen, der uns das vermeintliche Unrecht angetan hat, das Gespräch zu suchen, um unsere Beschwernis sachlich zu klären. Aber wenn das nicht gelingt, der andere sich stur stellt?
Als wiedergeborene Christen haben wir den Wunsch, den Fußstapfen unseres Herrn zu folgen. Wir fragen uns: Wie würde mein Herr in dieser Sache reagieren? Schon bei dieser Fragestellung werden wir innerlich ruhiger...
Der Apostel Petrus erinnert an das Vorbild des Herrn: „Christus hat … euch ein Beispiel hinterlassen, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt; … der gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet“(1. Pet 2,21).
Wie ungerecht wurde unser Herr von den Menschen behandelt. Obwohl Er „wohltuend und heilend“ in Liebe unter ihnen gewirkt hatte, erntete Er nur Hass und Verachtung (s. Apg 10,38; Ps 109,3.4).
Schließlich wurde Er zum Tod verurteilt, obwohl der Statthalter Pilatus zuvor feststellte: „Ich habe keine Todesschuld an ihm gefunden“ (Lk 23,22).
Der Prophet Jesaja klagt gewissermaßen als Mund des leidenden Messias: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt; doch mein Recht ist bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott“ (Kap. 49,4).
Christus übergab sich in allem Dem, der gerecht richtet.
Wenn wir doch immer sagen könnten: „Mein Recht ist bei dem Herrn, deshalb übergebe ich das Unrecht, das mir widerfahren ist, dem Herrn und überlasse IHM alles Weitere!“
Das Verhalten Moses angesichts der üblen Nachrede durch Miriam und Aaron ist vorbildlich (s. 4. Mo 12). Nachdem seine Geschwister wegen seiner Ehe mit einer kuschitischen Frau übel über ihn geredet hatten, kam auch nicht ein Wort der Rechtfertigung über seine Lippen.
Mose erkannte, dass Neid der Anlass für ihr Gerede war: Miriam und Aaron wollten nicht in der „2. Reihe“ stehen. Trotzig bemerken sie: „Hat der Herr nur mit Mose allein geredet? Hat er nicht auch mit uns geredet?“ (V. 2).
Mose reagiert sanftmütig auf den Vorwurf seiner Geschwister und der Herr nimmt sich der Rechtssache seines Knechtes an.
„Der Herr hörte es“ (V. 2b), rechtfertigt Mose (s. V. 7) und redet in ernster Weise zu Aaron und Miriam (s. V. 8b), die aussätzig wie Schnee wird (s. V. 10).
Erinnern wir uns an König David: Er hätte allen Grund gehabt, angesichts der ungerechten Vorwürfe Simeis, des Mannes aus der Familie Sauls, mit aller Autorität durchzugreifen, als dieser ihm auf der Flucht vor Absalom wiederholt fluchte und mit Steinen nach ihm warf.
Aber wie besonnen reagiert David und entgegnet Abisai, der Simei „den Kopf wegnehmen“ will: „Lasst ihn, dass er fluche; denn der Herr hat es ihn geheißen. Vielleicht wird der Herr mein Elend ansehen und der Herr mir Gutes erstatten dafür, dass mir geflucht wird an diesem Tag“ (2. Sam 16,11.12).
Damit übergab sich David Dem, der gerecht richtet.
Wir wissen nicht, ob und welches Unrecht dich vielleicht im Moment in deinen Gedanken beschäftigt – deine Seele bedrückt.
Vielleicht ein ungerechter Vorwurf des Ehepartners? Ungerechtes Verhalten von Seiten des Nachbarn oder des Kollegen? Auch unter Glaubensgeschwistern lässt Gott es manchmal zu, dass Unrecht geschieht. Spiegelt sich in unserer Reaktion dann etwas von den Wesenszügen unseres Herrn Jesus wider?
Spiegelt sich in unserer Reaktion etwas von den Wesenszügen unseres Herrn Jesus wider?
Andreas kommt am späten Abend bedrückt und missmutig nach Hause. Seine Frau Claudia fragt ihn erstaunt: „Andy, was ist los? Was ist quer gelaufen?“
Andreas setzt sich zu seiner Frau ins Wohnzimmer und dann erzählt er von dem Disput im Gespräch mit einem Glaubensbruder, der ihm einen – wie er meint – ungerechten Vorwurf gemacht hat.
„Das hätte ich nicht von ihm gedacht. Wie der mich enttäuscht hat. Wenn er mir wenigstens richtig zugehört hätte. Nein – diese Ungerechtigkeit lasse ich so nicht stehen, ich werde …“ Andreas merkt gar nicht, wie er sich immer mehr erregt.
„Andy“, entgegnet seine Frau in ruhigem Ton, „willst du jetzt wirklich für deine Ansicht kämpfen, weil du meinst, Recht zu haben? Ich frage mich: würde sich der Herr Jesus auch so verhalten?
Weißt du, in der Sonntagschule hast du den Kinder vom Heiland erzählt, der von allen unverstanden, leidend nicht drohte, sondern sich dem übergab der gerecht richtet …
Meinst du nicht, dass es den Herrn erfreuen würde, wenn wir die Angelegenheit Ihm im Gebet übergeben und einfach mal abwarten, was Er in dem Herzen des Bruders und auch an deinem wirkt?“
Andreas ist immer stiller geworden. Er empfindet: Claudia hat Recht! Schließlich ergreift er die Hand seiner Frau: „Claudia, ich danke dir für den Rat. So mache ich es: ich gebe die Sache dem Herrn ab. Nein, ich will doch durch meine Reaktion keine Unruhe unter Glaubensgeschwister bringen und – „dem Demütigen gibt Er Gnade“ und die brauche ich so sehr …“
Wie gesegnet ist es, wenn wir dem Herrn bei erfahrenem Unrecht „unseren Weg“ anbefehlen, still vertrauend auf die Zusage: „… und er wird handeln. Und er wird deine Gerechtigkeit hervorkommen lassen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag“ (Ps 37,5.6).
Denn „der Herr übt Gerechtigkeit und verschafft Recht allen, die bedrückt werden“ – oder Unrecht leiden (s. Ps 103,6).
Der Herr Jesus schenke uns allen ein „gelassenes Herz“ – es ist „das Leben des Leibes“ – und bewahre uns vor jeder Ereiferung – sie würde uns nur krank machen nach Körper und Seele (s. Spr 14,30) und manchen Schaden anrichten.
Lasst uns deswegen den weisen Rat Elihus befolgen: „Die Rechtssache ist vor Ihm; so harre auf Ihn“ (Hiob 35,14).
Friedhelm Müller