In Psalm 1 wird uns vorgestellt, dass der Mensch glückselig ist, der sich interessiert und voller Freude mit dem Wort Gottes beschäftigt. Im weiteren Verlauf der Psalmen finden sich dann die unterschiedlichsten Themenschwerpunkte, etwa Prophezeiungen auf den Sohn Gottes, die Absichten Gottes mit seinem irdischen Volk oder bemerkenswerte Erfahrungen des Gläubigen auf seinem Weg des Glaubens in der Gemeinschaft mit Gott.
Dabei gliedert sich das Buch der Psalmen noch einmal in fünf Bücher. Die ersten vier enden jeweils mit einem Lobpreis des Herrn, der „von Ewigkeit bis in Ewigkeit“ fortbesteht (Ps 41,14; Ps 72,18.19; Ps 89,53; Ps 106,48).
Den Schlusspunkt setzt schließlich Psalm 150, mit dem das fünfte Buch der Psalmen endet. Es ist, als ob der glückselige Mensch aus Psalm 1 über alle Höhen und Tiefen hinweg zum Gipfel des Glaubensweges geführt wird, dem Lob Gottes. Denn darum geht es in diesem Psalm einzig und allein.
Bevor wir uns anhand einiger Fragestellungen näher mit diesem letzten aller Psalmen beschäftigen, ist es wichtig, uns daran zu erinnern, dass nicht alles, was wir im Alten Testament finden, eins zu eins auf die Zeit der Gnade übertragen werden kann, in der wir heute leben. Deshalb ist bei der Übertragung alttestamentlicher Aussagen in die Gegenwart eine gewisse Vorsicht und Sorgfalt geboten, um nicht zu falschen Schlussfolgerungen zu kommen.
So finden wir beispielsweise in den Evangelien, der Apostelgeschichte und den Briefen des Neuen Testamentes keine Hinweise darauf, dass der Lobgesang zur Ehre Gottes mit Instrumenten begleitet wird, wenn die Gläubigen zum Namen des Herrn hin versammelt sind.
Wenn wir das beachten, liefert uns Psalm 150 wertvolle Impulse für unser gemeinschaftliches Lob Gottes.
„Lobt den Herrn!“ (V. 1a).
Es ist gut, wichtig und richtig, wenn wir uns immer wieder dankbar daran erinnern, was uns in dem Herrn Jesus alles geschenkt ist. Doch wenn wir dabei stehen bleiben, fehlt Entscheidendes. Denn über den Gaben steht ja der Geber dieser Gaben. Und das ist kein Geringerer als Gott selbst, denn „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter, bei dem keine Veränderung ist noch der Schatten eines Wechsels“ (Jak 1,17).
Natürlich können wir die empfangenen Gaben und den Geber dieser Gaben nicht messerscharf voneinander trennen. Deshalb werden uns die Freude und der Dank über die empfangenen Gnadengaben auch immer zur Dankbarkeit dem Geber gegenüber bringen. Doch wenn wir uns mit Ihm beschäftigen und seine Größe und Herrlichkeit rühmen, tritt alles andere dahinter zurück. Dann sehen wir nur noch auf Ihn und nicht mehr auf uns.
„Lobt Gott in seinem Heiligtum; lobt ihn in der Feste seiner Stärke!“ (V. 1b).
Während der Wüstenwanderung Israels war das Zelt der Zusammenkunft das Heiligtum Gottes, in dem Er bei seinem irdischen Volk wohnte. Nachdem das Volk Israel das von Gott verheißene Land in Besitz genommen hatte, trat der Tempel in Jerusalem an die Stelle dieses Zeltes.
Das Heiligtum Gottes ist heute nicht mehr ein aus Steinen gebautes Haus. Es besteht vielmehr aus der Gesamtheit aller Gläubigen: „Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar, werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer lebendigen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus“ (1. Pet 2,4.5).
Wenn sich diejenigen, die an das Erlösungswerk des Herrn Jesus am Kreuz von Golgatha glauben und es persönlich für sich in Anspruch genommen haben, zum Namen des Herrn Jesus versammeln, wird dies in besonderer Weise sichtbar[1]. Das Lob Gottes ist bei diesen Zusammenkünften ein prägendes Element.
Das gemeinschaftliche Lob Gottes ist jedoch nicht auf die Zusammenkünfte als Versammlung beschränkt, denn es heißt ja weiter: „… lobt ihn in der Feste seiner Stärke!“. Das hebräische Wort „ragia“, das hier mit „Feste“ übersetzt wird, wird an anderen Stellen mit „Ausdehnung“ übersetzt und meint den geschaffenen Himmel.
Es geht hier also darum, dass Gott ein universelles Lob sowohl auf der Erde (in seinem Heiligtum) und im geschaffenen Himmel (Ausdehnung) gebracht wird. Als Menschen auf der Erde erleben wir Gottes Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit in seinen Machttaten in jedem Bereich, in den wir auf der Erde gestellt sind.
Gott schenkt uns neben unseren irdischen Verpflichtungen zum Beispiel am Arbeitsplatz oder in der Schule auch freie Zeiten. Womit beschäftigen wir uns in dieser Zeit, wenn wir etwa mit anderen Christen zusammen sind? Auch bei diesen Gelegenheiten dürfen und sollen wir Gott loben.
„Lobt ihn wegen seiner Machttaten; lobt ihn nach der Fülle seiner Größe!“ (V. 2).
Ob wir uns bei einem Spaziergang an der wunderbaren Vielfalt der Schöpfung erfreuen oder über Gottes gnädiges Eingreifen in einer Notsituation staunen – es gibt unzählige Anlässe, die uns an die alles überragende Allmacht Gottes erinnern. Wie auch immer Gott seine Machttaten sichtbar werden lässt, immer sollte es ein Lob zur Ehre Gottes in unseren Herzen anstimmen.
Doch sind wir uns auch immer der überragenden Herrlichkeit und Größe Gottes bewusst? Erinnern wir uns nur einmal daran, dass der Herr Jesus Gottes Sohn ist, es aber „nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8).
Wir können es mit unserem Verstand nicht erfassen, dass der Herr Jesus vollkommen Mensch und zugleich vollkommen Gott ist: „In ihm (dem Menschen Christus Jesus) wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9).
Was wir nicht verstehen und erklären können, darf uns aber im Glauben zu Lob und Dank führen.
„Lobt ihn mit Posaunenschall; lobt ihn mit Harfe und Laute! Lobt ihn mit Tamburin und Reigen; lobt ihn mit Saitenspiel und Schalmei! Lobt ihn mit klingenden Zimbeln; lobt ihn mit schallenden Zimbeln!“ (V. 3-5)
In diesen Versen stehen sehr verschiedene Instrumente eng beieinander. Es finden sich solche, mit denen eine Melodie gespielt werden kann, und solche, die diese Melodie harmonisch untermalen und begleiten. Auch Instrumente, die nur einen einzigen Ton erzeugen können, werden genannt. Manche Instrumente werden geblasen, bei manchen werden Saiten zum Schwingen gebracht und andere müssen geschlagen werden.
Die Posaune ist ein gut hörbares Blasinstrument mit einem tiefen, warmen Ton. Unter der im Alten Testament erwähnten Posaune dürfen wir uns jedoch keine Zugposaune vorstellen, wie wir sie heute kennen. Es handelt sich vielmehr um das sogenannte Schofar-Horn, auf dem mit einer gewissen Übung zwar verschiedene Töne gespielt werden können, das für das Spielen einer umfangreicheren Melodie jedoch eher ungeeignet ist.
In der Bibel finden wir es meist als Signalinstrument, mit dem zu bestimmten Anlässen Signale gegeben werden, etwa zum Beginn eines Kampfes wie bei der in Josua 6 beschriebenen Eroberung Jerichos. Im Neuen Testament wird das Posaunensignal in 1. Thessalonicher 4 als Zeichen der Wiederkunft Christi für die Seinen genannt.
Ihren Zweck kann die Posaune auch deshalb gut erfüllen, weil sie weithin hörbar ist. Dazu ist es aber erforderlich, dass der Posaunenbläser kräftig in die Posaune bläst. Es erfordert also Übung und Kraft, um die Posaune zu spielen.
Im übertragenen Sinn können wir den Posaunenschall daher als einen Hinweis darauf verstehen, dass es für das gemeinsame Lob Gottes einen Auslöser oder Anlass gibt, der uns gemeinsam in das Lob Gottes einstimmen lässt.
Außerdem übertrifft das Lob Gottes alle anderen Stimmen, die zu hören sein können.
„Das Lob Gottes übertrifft alle anderen Stimmen, die zu hören sein können.“
Mit einer Harfe können sowohl Melodien als auch eine Melodie unterstützende und begleitende Harmonien gespielt werden. Im Gegensatz zur Posaune hat die Harfe einen klaren, hellen Klang. Sie hat eine wesentlich größere Tonvielfalt, sodass auch feine Notensprünge gespielt werden können.
Zugleich können mit einer Harfe sehr gut die inneren Empfindungen zum Ausdruck gebracht werden, da die Saiten der Harfe sowohl kräftig als auch sehr feinfühlig zum Schwingen und Klingen gebracht werden können.
So wie ich als Einzelner zum Lob Gottes nur das zum Ausdruck bringen kann, was ich auch in meinem Herzen empfinde, sollen auch alle Herzen innerlich zum Lob Gottes gestimmt sein, wenn wir mit anderen Gläubigen zusammen Gott loben.
Gerade wenn wir als Versammlung mit dem Herrn Jesus in der Mitte Gott loben möchten, ist es deshalb besonders wichtig, dass auch wirklich alle Anwesenden von dieser Herzenshaltung geprägt sind.
Die Laute ist ebenfalls ein Saiteninstrument. Sie hat nicht die Tonvielfalt einer Harfe und auch nur einen geringeren Tonumfang vom höchsten bis zum tiefsten Ton. Eine Laute hat auch nicht den kräftigen Klang einer Posaune und tritt daher bei einem Musikvortrag nicht so deutlich in den Vordergrund.
Mit einer Laute lässt sich aber sehr gut der melodiöse Gesang eines Sängers oder auch ein Instrument begleiten, das die Melodie spielt.
Das Tamburin ist noch unscheinbarer als die Laute. Es handelt sich dabei um ein Schlaginstrument, bei dem ein Fell über einen Holzrahmen gespannt wird und das mit den Fingern oder dem Handballen angeschlagen wird.
Mit diesem Instrument lassen sich weder Melodien noch begleitende Harmonien spielen. Durch die Schläge wird vielmehr ein Takt oder Rhythmus erzeugt. Beim gemeinsamen Musizieren orientieren sich alle anderen Instrumente an diesem Takt und Rhythmus.
Wie wichtig der gleiche Takt und Rhythmus sind, verstehen wir leicht, wenn wir uns einmal vorstellen, in einem Orchester würden die Streichinstrumente im Drei-Viertel-Takt und die Blasinstrumente im Vier-Viertel-Takt spielen. Ein großes Durcheinander wäre die Folge und nicht ein wohltönender Musikvortrag.
Am Ende muss das Lob Gottes hörbar werden, gar keine Frage. Aber stellen wir uns weiter vor, die Noten eines Liedes hätten alle die gleiche Länge und wären ohne jede Pause aneinander gereiht. Es käme nur noch eine nichtssagende Klangfolge heraus und keine wohlklingende Melodie.
Deshalb ist es gut, wenn wir beim gemeinsamen Lob Gottes neben dem gleichen Takt auch die Bedeutung und den Wert der Pausen nicht vergessen. Auch daran kann uns das Tamburin erinnern.
Für das gemeinsame Lob Gottes bedeutet das, zwischen den einzelnen Liedern oder Gebeten Raum zu lassen, um noch einmal über die gerade geäußerten Gedanken etwas nachzusinnen. Dadurch wird gleichzeitig der Platz geschaffen, darüber nachzudenken, in welche Richtung das gemeinsame Lob Gottes weiter gelenkt werden soll.
Nehmen wir uns diese Zeit und gönnen wir sie auch denen, die mit uns gemeinsam Gott loben.
Dieses unscheinbare Instrument erinnert uns noch an einen weiteren Aspekt: Das Tamburin muss im Gegensatz zur Posaune, deren Klang noch eine Weile nachhallt, immer wieder neu angeschlagen werden, damit es einen Ton von sich gibt. Wenn wir Gott gemeinsam loben möchten, ist das keine einmalige Angelegenheit. So wie das Tamburin während eines Liedes immer wieder und mit Ausdauer geschlagen wird, darf auch das Lob Gottes täglich und beständig erklingen.
Der Reigen fällt streng genommen aus der Reihe in dieser Aufzählung, denn beim Reigen handelt es sich nicht um ein Instrument, sondern um einen Tanz.
Zum ersten Mal erwähnt wird er in 2. Mose 15, nachdem Gott das Volk durch das Schilfmeer geführt und aus der Gefangenschaft der Ägypter befreit hatte. Den Lobgesang Moses und der Kinder Israel beantworteten Mirjam und alle Frauen Israels, indem sie „mit Tamburinen und in Reigen“ (2. Mo 15,20) auszogen und einen Wechselgesang mit den Männern Israels anstimmten (s. 2. Mo 15,21 Fußnote).
Wenn ein Reigen getanzt wird, bewegen sich alle Tänzer im Kreis um einen gemeinsamen Mittelpunkt. Gott ist sowohl der Ursprung als auch der Gegenstand und der Mittelpunkt des gemeinsamen Lobes Gottes.
Zugleich ist ein Reigen ein Ausdruck der Freude, gerade so wie das gemeinsame Lob Gottes ein Ausdruck unserer gemeinsam empfundenen Freude ist.
Das Tamburin und der Reigen sind in Psalm 150 durch das Wort „und“ direkt miteinander verbunden. Auch das beinhaltet für uns einen wichtigen Hinweis. Denn nur, wenn alle – bildlich gesprochen – im gleichen Takt[2] und in die gleiche Richtung vorangehen, können wir wirklich gemeinsam Gott loben.
Die Schalmai ist ebenfalls ein Blasinstrument mit einem gut hörbaren, kräftigen Klang. Ähnlich wie bei einer Flöte können damit Melodien gespielt werden. Sie ist in diesem Psalm ein weiterer Hinweis darauf, dass das Lob Gottes für andere gut wahrnehmbar zu hören ist.
Zimbeln sind kreisrunde Instrumente aus Blech, die gegeneinander geschlagen werden. Geschieht dies unkontrolliert, machen Zimbeln einfach nur Krach, der nichts Wohltönendes an sich hat. Werden sie zum Lob Gottes gespielt, klingen sie jedoch angenehm und gut hörbar (= schallend).
„Alles, was Odem hat, lobe Jah! Lobt den Herrn!“ (V. 6).
Ähnlich wie in Offenbarung 5,13 scheint sich die Aufforderung zum Lob Gottes hier an die ganze Schöpfung zu richten. Aber nur in den Menschen hauchte Gott den Odem des Lebens, sodass er eine lebendige Seele wurde (s. 1. Mo 2,7). Der Mensch ist damit gewissermaßen die „Krönung“ der Schöpfung. Damit hat er aber auch eine besondere Verantwortung, der Aufforderung zum Lob Gottes Folge zu leisten.
Das spornt uns als Gläubige ganz besonders an, das Lob Gottes schon hier auf der Erde anzustimmen. Denn nur die, die schon zu Lebzeiten hier auf der Erde an den Herrn Jesus und sein Erlösungswerk am Kreuz von Golgatha glauben, können Gott freiwillig und mit dankbarem Herzen loben.
Dazu ist keine besondere geistliche Gabe erforderlich. Vielmehr ist jeder Gläubige gefragt, in dieses Lob einzustimmen und seinen Beitrag dazu zu leisten[3]. Eine kleine Begebenheit kann dies vielleicht etwas veranschaulichen: Ein Musiker wurde aufgefordert, die Bedeutung einer Querflöte für das ganze Orchester zu beschreiben. Schließlich sei der Klang der vielen Streichinstrumente und der anderen (Blech-)Blasinstrumente doch viel kräftiger als der einer Querflöte. „Wenn die Querflöte nicht gespielt würde, würden Sie es merken“, war die kurze, aber aussagekräftige Antwort.
Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“ (Heb 13, 15). Es heißt dazu in einem Lied:
Oh, lass uns dir von Jesus singen, Er allein dich erfreuen kann.
Stefan Busch
Fußnoten:
Nach 1. Korinther 6,19 wird auch jeder einzelne Gläubige als Tempel Gottes angesehen.
Damit ist nicht die musikalische Perfektion beim gemeinsamen Singen eines Lobliedes gemeint, sondern die Herzenshaltung und der gemeinsame Gegenstand des Lobes Gottes zum Beispiel in den Zusammenkünften.
Dies wird natürlich immer in dem Maß und Rahmen geschehen, den uns das Wort Gottes vorgibt. So sind nach 1. Korinther 14,26 alle aufgefordert, einen Psalm, eine Lehre oder eine Offenbarung im Herzen zu haben, wenn wir zusammenkommen. Eine Schwester wird dies aufgrund dessen, was uns in Vers 34 des gleichen Kapitels gesagt ist, aber nicht in den Zusammenkünften aussprechen. Wenn dann aber ein Bruder – wie es schon oft, ohne es zu wissen, geschehen ist – gerade das Lied vorschlägt, das eine Schwester im Herzen hat, ist das eine besondere Freude für die Schwester.